Tarapoto, übertriebenerweise die „Stadt der Palmen“ genannt, befindet sich im Norden Perus. Im Regenwald, gleich hinter den Anden gelegen, ist das Klima ist tropisch – heiß und feucht. Rund um die Stadt befinden sich zahlreiche Berge, Nebelwälder und Wasserfälle. Man fühlt sich an Hawaii erinnert. Der Boden ist fruchtbar und in der Tat stehen die Chancen nicht schlecht, dass du schon einmal Kaffee oder Schokolade aus dieser Region zu dir genommen hast.
Wenn es regnet, stehen die Straßen unter Wasser. Aufgrund der hohen Sonneneinstrahlung in Äquatornähe sind sie aber auch nach 15 Minuten wieder trocken. Die Anzahl der Autos, die es hier gibt kann man an zwei Händen abzählen; Hauptfortbewegungsmittel in Tarapoto sind Mototaxis, Motoräder und Roller. Und obwohl es immerhin 100.000 Einwohner gibt, fühlt es sich an wie ein Dorf und ich bin fast jedem mindestens zweimal über den Weg gelaufen.
Um mir ein wenig Abkühlung von der Hitze zu gönnen, machte ich mich auf zum Wasserfall Ahuashiyacu. Während meines gesamten Aufenthalts hatte es täglich mindestens 35°C und so sprang ich ins nächste beste Mototaxi und handelte einen Preis dafür aus, dass er mich zum Wasserfall bringt. Etwa eine halbe Stunde außerhalb der Stadt machten uns leider einige, mit Maschinengewehren bewaffnete Polizisten klar, dass man mit diesem Verkehrsmittel die Straße nicht mehr befahren darf. Davon wusste auch mein Zweitakt-Chauffeur noch nichts. Blieb mir also nur noch übrig am nächsten Tag eine Tour zu buchen. (Nebenbei bemerkt: Maschinengewehre sehen eigentlich harmlos aus im Vergleich zu den Schrotflinten, die bei einer anderen Kontrolle ein paar Tage später eingesetzt wurden).
Ohnehin war Tarapoto mangels Informationen zunächst einen touristische Herausforderung: Ob Rezeptionist im Hotel oder Bedienung im Café – jeder will einem eine Tour andrehen oder arbeitet zuuufällig nebenbei als Fremdenführer. Der Eingang des berüchtigte Touri-Büro am Plaza de Armas (Hauptplatz) befindet sich etwa an Gleis neun dreiviertel, weshalb ich über eine Woche lang mehrfach täglich daran vorbei gelaufen bin. Das war wohl auch besser so, denn als ich als vierter Besucher in dieser Woche (es war Mittwochmittag) vorbeischaute, war ich schon besser informiert als die dort Beschäftigte. In meiner Notlage habe ich sogar einen Lonely Planet in die Hand genommen. Aber auch der wusste nichts über die Stadt.
Der Wendepunkt kam, als ich im weltweiten Gewebe die Seiten von Tony Dunnell gefunden habe – einem Engländer und Reiseschriftsteller, der seit einigen Jahren in Tarapoto lebt. Nachdem ich einige seiner Tipps ausprobiert hatte, habe ich mich mit Tony in Verbindung gesetzt und bin mit ihm, seiner peruanischen Frau und ein paar von seinen Freunden essen gegangen (das Restaurant war auch ein Tipp von seiner Tarapotheit höchstpersönlich).
Am nächsten Abend waren wir dann zum Grillfest auf Tonys Dachterrasse. Bei Wildschwein-Spießen mit Honigglasur und kühlem Bier stellte ich fest, dass ich die anderen Gäste alle schon bei anderen Gelegenheiten kennengelernt hatte. Tarapoto ist halt ein Dorf. Die Hälfte davon hieß übrigens Mike. Ich nicht.
Unter anderem waren Froschforscher anwesend. Meine Einführung in die Kunst der Frosch-Euthanasie (7-prozentige Methanol-Lösung, wen’s interessiert) und das Häuten von Giftfröschen wurde durch das Lokalfernsehen jäh unterbrochen, denn an diesem Abend fand die Erstausstrahlung des Werbespots eines lokalen Metzgers statt, in der Tony und zwei der Froschforscher (was für ein Wort!) die Hauptrollen übernommen hatten. Die Gage wurde in Naturalien ausgezahlt und befand sich zum Zeitpunkt als die drei in der Glotze im Chor „Tio Sergio – it’s awesome!“ riefen gerade saftig triefend zwischen meinen Zähnen.
In der Stadt selbst gibt es nicht all zu viel zu tun. Neben den Siestas in der Hängematte waren meine drei Highlights: der Besuch der Schokoladenfabrik „La Orquidea“, eine Führung durch eine Zigarrenfabrik (Wer hätte gedacht, dass das auch für einen Nichtraucher interessant sein kann. Ein Geruchserlebnis sondersgleichen!) und die Diskothek namens Anaconda – hunderte Latinos und alle am Tanzen. „Ain’t no party like a peruvian party!“ sagt man.
Wirklich punkten kann Tarapoto aber mit der Landschaft, die es umgibt. Der absolute Höhepunkt: die Laguna Azul [dt. blauer See], auch bekannt als Laguna de Sauce. Schon die zweistündige Anfahrt, bei der wir mitsamt dem Auto einen Fluss per Floß überquert, Tukane und eine atemberaubenden Landschaft erlebt haben, ist die Reise wert.
Bei einer Bootsfahrt über den See zwang ich den Reiseleiter und somit die ganze Gruppe anzuhalten, weil ich mir in einem Anflug von Selbstüberschätzung in den Kopf gesetzt hatte von einer 18-Meter hohen Plattform des Militärs in den See zu springen. Zusammen mit einem Franzosen haben wir dann unseren Willen durchgesetzt und sind ohne jegliches Zögern (glatt gelogen) gesprungen. Kranker Scheiß.
Der Lacher dieses Tages ging übrigens an den Peruaner, der den Aufbewahrungsbehälter einer Würgeschlange mit einem Mülleimer verwechselt und zurecht erschrocken ist, als er seinen Müll entsorgen wollte.
Wer die Natur sportlicher genießen will, dem kann ich auch Rafting auf dem Rio Mayo empfehlen (Rio Mayo heißt auf Deutsch soviel wie „Fluss Fluss“, kein Witz): komplett mit Sprung von einer Seilbahn, auf der sonst nur Bananen transportiert werden, und mit Tarzan-Seilen. In den Dörfern rechts und links des Flusses kann man die Einheimischen von Amazonien beobachten, wie sie im Fluss angeln oder sich waschen und die Kinder spielen.
Zurück in Tarapoto ruht man sich dann im Garten seines Hotels in der Hängematte unter Palmen aus, während man den Geckos zuschaut, wie sie Moskitos fangen und der rot-gelb-blauen Hauspapagei „Hola! Hola!“ schreit. Vielleicht sogar bei einer Zigarre, die ein paar Straßen weiter noch am gleichen Tag handgerollt wurde. Manchmal ist das Leben halt einfach gut zu einem.
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Für Tarapoto-Reisende:
Schaut euch auf jeden Fall Tonys Travel Guide, seinen Eintrag auf about.com und seinen Blog tarapotolife.com an.
Außerdem taugen die Tagestouren etc. in Tarapoto – im Gegensatz zu manch anderen Destinationen in Peru – richtig was. Geht zur Agentur Martín Zamora in der Nähe des Plaza de Armas, und erlebt den lustigsten und gebildetsten Reiseleiter, den ich kenne.