London ist mit über acht Millionen Einwohnern die größte Stadt der EU. Darüber hinaus ist sie auch eine der ältesten und quillt geradezu über vor Geschichtsträchtigkeit. Als Hauptstadt Großbritanniens und des ehemaligen britischen Empires hat sie ihre große Bedeutung für die Weltpolitik, Geschäftswelt, Wissenschaften (und auch für Kultur, munkelt man) seit der Gründung vor 2000 Jahren nicht verloren.
Londons zweite Chance
Bereits im letzten Jahr hatte ich ein paar Tage in London verbracht und muss sagen, ich war doch recht wenig amused von dem allzeit höflichen, aber deswegen nicht unbedingt freundlichen Inselvolk, das abgestandenes Bier trinkt, Essig über seine Pommes kippt und das alles zu überhöhten Preisen verkauft.
Allerdings hat sicher auch das Oktoberwetter den Eindruck getrübt, denn Sightseeing ist nur mäßig spaßig bei herbstlichen 10°C und teilweise Nieselregen. Dieses Mal ist jedoch Frühling, fast Sommer, und so werde ich die Gelegenheit nutzen um London noch eine zweite Chance zu geben, …so dachte ich mir. Weit gefehlt, denn im Mai des seltsamen europäischen Frühlings von 2013 waren die Temperaturen sogar noch niedriger als im Oktober des Vorjahres.
Zunächst war ich froh endlich wieder länger als eine Nacht an einem Ort zu sein und das sogar in einem richtigen Bett. In den letzten beiden Nächten hatte ich nämlich zusammengerechnet lediglich gut drei Stunden geschlafen – zwei in Lima und ein bisschen mehr als eine Stunde im Flughafen von São Paulo. Ich befinde mich ja immer noch auf der Heimreise von Kolumbien. London ist also die vierte Stadt mit über 7 Millionen Einwohnern innerhalb von vier Tagen. (Langsam bekomme ich das Gefühl, das Privatfernsehen sollte mich bei meinen Reisen begleiten und unangemessen dafür bezahlen.)
Nach gut drei Tagen en route wird der letzte zweistündige Flug nach Deutschland am Sonntag ein Klacks werden, …dachte ich mir. Eine Streckensperrung aufgrund von Bauarbeiten an der Underground hat jedoch dafür gesorgt, dass ich die letzte Nacht noch im Londoner Flughafen verbringen durfte.
Höflichkeit ungleich Freundlichkeit
Briten sind berüchtigt für ihre Höflichkeit. In allen Lebenslagen bleibt man immer ganz der Gentleman und selbst wenn man sich streitet, verliert man bitte nie die Fassung. Überall auf der Straße kann man Unterhaltungen beobachten, die ähnlich produktiv sind wie Englands beliebteste Fernsehsendung, dafür jedoch immer höflich bleiben.
Von den Briten habe ich aber auch gelernt, dass es einen Unterschied zwischen Freundlichkeit und Höflichkeit gibt. Bisher dachte ich, die zwei Begriffe seien weitgehend synonym. Sind sie auch meist; man kann sich aber durchaus höflich ausdrücken ohne dabei wirklich nett zu sein.
Als ich mich zum Beispiel im Hostel nach dem Passwort für das beworbenen „Free Wifi“ erkundige, bekomme ich ein trauriges Gesicht zu sehen und höflichst als Antwort: „Oh, I’m afraid you have to pay for the free internet.“ [Oh, ich fürchte, sie müssen für das kostenlose Internet bezahlen.“] Ich fühle mich sofort eingeschüchtert, weil sich mein Gegenüber aufgrund der harmlosen Frage scheinbar vor mir fürchtet und gebe sofort klein bei, nur um später zu bemerken wie abstrus dieser Satz eigentlich war. „Bloody bastard,“ …dachte ich mir.
Beim Bezahlen eines Döners(!) zum Mitnehmen(!!) für 8 Euro(!!!) wird angemerkt: „Sir, I’m afraid you forgot to tip.“ [dt. „Gnädiger Herr, ich fürchte Sie haben vergessen ein Trinkgeld zu geben.“] Schnell entschuldige ich mich und werfe ihm ein paar Pennys hin. grml
Aber genau wie die britische Höflichkeit nicht mit Freundlichkeit gleich zu setzten ist, ist sie auch nicht mit Unfreundlichkeit oder Arroganz gleich zu setzten, was den Engländern ja auch gerne nachgesagt wird. Die Sprachkultur ist einfach eine andere. Und für einen Menschen, der – wie ich – aus einer oft sehr direkten und wenig höflichen Sprachkultur stammt (Deutschland, insbesondere im Süden, wo „nix gschwätzt gnuag g’lobt“ ist) ist hier einfach vieles ungewohnt. Zu schnell verwechselt man kulturelle Unterschiede mit Arroganz und drückt ihnen ein Klischee auf, diesen verstockten, teetrinkenden Engländern, wie sie mit ihrem Gehstock im Regenwetter in der Schlange stehen um Bohnen und Würste zu frühstücken.
London, die Weltstadt
Scheinbar verliert die englische Sprache aber ohnehin an Bedeutung. Dank unzähliger Wirtschaftsflüchtlinge von der iberischen Halbinsel hört man in Londons Straßen mittlerweile mehr Spanisch als Englisch. In England habe ich ohne Übertreibung mehr Spanisch gehört und gesprochen als in meiner Zeit in Spanien!
Und damit wären wir endlich mal bei etwas Positivem. London ist einfach international. Wie ich es schon beim Wellenreiten in New York oder in Berlin erlebt habe, gibt es hier so viele Immigranten, Expaten und Touristen, dass man diese Städte eigentlich nur noch als Weltstädte bezeichnen kann (gerade mal 45% von Londons Einwohner sind „weiße Briten“!). Und als jemand, der gerne reist, finde ich so etwas natürlich super interessant.
Für kulinarische Weltreisen ist übrigens der Camden Market bestens geeignet, wo direkt nebeneinander chinesisches, mexikanisches, italienisches, afrikanisches, karibisches, arabisches und türkisches Essen feil geboten wird.
Londons Museen
Hauptsächlich aufgrund der Kälte hat es mich wieder in Museen getrieben – und davon hat London wahrscheinlich die besten und größten der Welt. Und das besondere daran ist, das der Eintritt oft kostenlos ist (was im teuren London ein wirklich gutes Argument ist). In manchen könnte ich Tage verbringen – es gibt soviel zu sehen und zu lernen. Und ich bin sonst definitiv kein großer Museumsgänger. Besonders das Natural History Museum hat es mir angetan.
Cheers, Mates
Alles im allem hat sich mit meinem zweiten Kurzbesuch meine Meinung über London und die Engländer doch wesentlich verbessert, meine Lieblingsstadt wird es wohl trotzdem nie werden. Sollte ich nochmals nach London kommen, findet ihr mich entweder im Museum oder einem Fressmarkt.
Ein Gruß geht noch raus an die atombetriebenen Händetrockner auf den Toiletten von Heathrow, die Christoph Niemann und mich wohl gleichermaßen fasziniert haben.
Ladies and Gentlemen, The End. Thank you, oh, so very sweetly.
PS: Im nächsten Artikel gebe ich noch Tipps für meine kostenlosen Lieblingsaktivitäten in London.