Prolog
An einem Spätnachmittag schlendere ich durch die Straßen von Cartagena. Die unerträgliche Mittagshitze der Karibik-Sonne klingt langsam ab und die Leute trauen sich langsam wieder auf die Straße ohne Gefahr laufen zu müssen auf der Stelle in Flammen aufzugehen, sobald sie ein Sonnenstrahl trifft.
Die Straßen der Altstadt sind eng und die Häuser stammen teilweise noch aus der Zeit, als die spanischen Eroberer vor 500 Jahren hier ihre erste Siedlung in Amerika bauten. Entlang der bunten Hauswände versuche ich möglichst im Schatten zu gehen. Dabei laufe ich an den offenen Fenstern der Wohnungen vorbei, die hier selten Glasscheiben oder Vorhänge haben – man freut sich über jeden Luftzug. Aus jeder Wohnung dringt ein anderer karibischer Rhythmus an mein Ohr. Wo auch immer man in dieser Stadt unterwegs ist, die Bewohner liefern einem die passende Hintergrundmusik dazu – authentischer geht’s nicht. Gelegentlich muss ich den bunten Orchideen ausweichen, die sich dicht an den ebenso farbenfrohen Häusern hinauf rangeln.
Während ich kurz in einem Restaurant ein Glas Saft aus einer mir unbekannten roten Frucht trinke, um wieder aufzufüllen, was ich auf den letzten knapp 100 Metern rausgeschwitzt habe, beobachte ich die Palenqueras, Frauen die scheinbar in einer kolumbianischen Flagge gekleidet sind und ihre noch bunteren Früchte in einem Korb auf dem Kopf umhertragen.
Mein Ziel ist nur einige Blocks weiter. Nachdem ich am Morgen alle Tauchschulen abgeklappert hatte, kehre ich nun zu der zurück, die ich für am vertrauenswürdigsten halte. Begrüßt werde ich von der Chefin Beatrice, die aussieht, als hätte ich sie schon mal in irgendeinem Musikvideo oder Mode-Katalog posieren gesehen. Aber das geht mir hier in Kolumbien ständig so. Eine Auswirkung auf meine Entscheidung für die Tauchschule hatte das natürlich nicht. Und ich weiß auch gar nicht, warum ich mich hier rechtfertige.
Die Vorbereitung
Nachdem ich bezahlt habe, händigt man mir mein Theoriebuch aus mit den Worten: „Kapitel 1, 2 und 3 – bis morgen“. Aha, nur 180 Seiten? Bis morgen früh? Na toll.
Strebsam wie ich bin und mit dem Gefühl, dass es sicher sinnvoll ist, zu wissen was man tut, wenn man sich 12 Meter unter der Wasseroberfläche befindet, verbringe ich den restlichen Abend dann auch mit lernen.
Eigentlich will ich alles ja alles durchziehen, aber mein Kopf überhitzt dann doch irgendwann, wenn man bei über 35°C Grad (es ist gerade 22.30 Uhr) stundenlang mit lernen verbracht hat. Das alle anderen um mich herum gerade ausgelassen Caipirinhas trinken, hilft auch nicht unbedingt. Ich geselle mich dazu.
Eine Stunde später finde ich mich inmitten meiner israelischen und chilenischen Reisekumpanen auf einer Tanzfläche auf der anderen Seite der Stadt wieder. Einmal im Monat – immer zu Halbmond – findet im Hostel „Media Luna“ [dt. Halbmond] in der gleichnamigen Straße (Halbmond) ein legendäres Fest statt (das… Halbmondfest) . Dazu wird ein leerstehendes dreistöckiges Gebäude in eine Tanzfläche (oder besser drei Tanzflächen) mit Bar verwandelt. Junge Menschen aus der ganzen Welt sind dabei, es gibt Livemusik im Karibik-Style, Cocktails, es hat gut 50°C und die Stimmung ist bombastisch!
Aber lasst uns vorspulen zum nächsten… nunja, Nachmittag. Mein Tauchtheorieunterricht wurden zu meinem Glück auf den Nachmittag verschoben. Leider besteht er aus drei Stunden Lehrvideos. Ich bin der einzige Schüler an diesem Tag. Nach ungefähr fünf Minuten begreife ich, dass der Inhalt und Wortlaut exakt der selbe ist wie im Buch. Die folgenden zwei Stunden und 55 Minuten verbringe ich damit möglichst viel von dem komplimentären kolumbianischen Kaffee in mich hineinzuschütten um nicht einzuschlafen und von meinem Plastikstuhl zu kippen.
Reif für die Insel
Am nächsten Morgen geht es endlich hinaus auf’s Meer. Nach gut zwei Stunden Fahrt im Motorboot, bei der wir teilweise von einem ganzen Schwarm Delfinen begleitet werden, erreichen wir die türkisblauen Gewässer des Archipels „Islas del Rosario“. Auf einer der Inseln inmitten eines Nationalparks beziehe ich meine eigene kleine Bambushütte im Wald. Anstatt Straßen und Autos gibt es hier Trampelpfade und Boote, anstatt Betten Hängematten, anstatt Touristen nur eine handvoll Einheimischer und anstatt fließend Wasser gibt es … nunja, eine Schüssel.
Die restlichen Theoriestunden finden in der Strandbar statt. Meine ersten Tauchübungen mache ich nicht – wie im Lehrvideo prophezeit – in einem Pool sondern über einem Korallenriff im 27°C warmen Meer. Und dann geht’s tiefer…
Bei meinem ersten Tauchgang muss ich meine Begeisterung zügeln um nicht ratzfatz meine Druckluftflaschen leer zu atmen. Ich war ja an Land schon erstaunt von der Farbvielfalt Kolumbiens, aber was sich einem in den Korallenriffen unter Wasser bietet ist unglaublich. Ganze Schwärme von Fischen die neon-gelb, -lila, -rot oder -blau schillern, Korallen in allen Farben und Formen, sodass es direkt unnatürlich erscheint. Und während ich völlig euphorisch und entspannt schwerelos durch das Farbenmeer gleite, frage ich mich ob man mir nicht doch ein Halluzinogen in die Flaschen getan hat.
Die Reizüberflutung kann ich dann abends nach einem frichen Fich, Kokosnussreis und gebratenen Bananen gemütlich in der Hängematte abklingen lassen.
Die restliche Zeit auf der Insel vergeht ähnlich: Ich schlafe in der Hängematte, esse viel Fisch mit Kokosnussreis und entspanne mich an meinem kleinen weißen Strand und gehe tauchen. Ich könnte noch im Detail davon erzählen, wie ich Barracudas, Seepferdchen und ganz in der Ferne einen Hai vorüber schwimmen sah. Aber das wäre gelogen. Dennoch: das Tauchen hat mich gepackt, ich darf mich nun offiziell einen Scuba-Diver nennen und bin fest dazu entschlossen in Zukunft auch die dreiviertel des Planets zu erkunden, die unter Wasser liegen.
Bebilderung
Von den interessantesten Erlebnissen gibt es keine Fotos, da a) ich zu langsam bin um Delfine zu fotografieren b) meine Kamera nicht wasserdicht ist.