Das kanadische Montreal liegt in der Liste der Städte mit der höchsten Lebensqualität auf Platz 22. Meiner Erfahrung nach dürfte das ruhig ein bisschen nach oben korrigierte werden. Ich genoss das heiße Wetter, die tollen Menschen um mich herum und das entspannte Flair der Stadt.
Montreal liegt auf einer Insel in der kanadischen Provinz Quebec, in der Französisch Amtssprache ist. Montreal allerdings gilt als bilingual. Die meisten Leute sprechen beides, Französisch und Englisch, nahezu akzentfrei. Dennoch dominiert Französisch ganz klar auf Schildern, Speisekarten bei Begrüßung etc.
Aus dem immerwarmen Florida kommend, machte ich mir völlig zu Unrecht Sorgen darüber, wie kalt den wohl Kanada sein würde (schließlich hab ich Schnee, Eisbären und Elche im Kopf wenn ich an Kanada denke). In Nordamerika brach nämlich pünktlich zu meinem Erscheinen der Hochsommer aus und versorgte die Stadt mit sonnigen Höchsttemperaturen von 33°C. Mit Sicherheit hat das meinen Eindruck von Montreal auch positiv beeinflusst. Im langen Winter sollen hier nämlich auch Temperaturen von -30°C normal sein, was die Lebensqualität mit Sicherheit etwas schmälert.
Gebeutelt vom harten Winter nutzen die Montrealer im Sommer jeden Sonnenstrahl aus, weshalb jedes Wochenende ein anderes Festival ist. Aber auch unter der Woche sitzen die Montrealer in Straßencafés, in einem der vielen Parks oder auf ihrer Veranda, welche an jedem Haus vorhanden ist. Dort wird dann Gitarre gespielt, gesungen, getanzt, getrommelt, geraucht und getrunken (aber immer mit mindestens einer Chipstüte, denn Alkohol in der Öffentlichkeit zu trinken ist nur erlaubt, wenn es im Rahmen eines Picknicks geschieht – kein Witz).
Der Höhepunkt des Ganzen findet jeden Sonntag im Parc du Mont-Royal statt, wo sich scheinbar die ganze Stadt zum Tam-Tam trifft. Unabhängig von einander treffen sich morgens mehrere Leute und fangen einfach an gemeinsam zu trommeln. Während der Park im Laufe des Tages von immer mehr Menschen bevölkert wird, wechselt das improvisierte Orchester mehrfach durch. Der endlose Trommelsound bleibt bestehen – und das noch bis spät in die Nacht.
Die Menschen im Park vertreiben sich die Zeit nicht nur mit Trommeln und Tanzen. Sie balancieren auf Seilen (Slack-Lines), spielen Gitarre, lassen Riesenseifenblasen fliegen, machen Fotos, schwingen Hula-Hoop-Reifen und jonglieren, kämpfen mit Schwertern (äußerst komisch anzusehen), Rauchen, Trinken (natürlich mit einer Tüte Chips) und liegen in der Sonne.
Die Stadt hat ein ziemlich europäisches Feeling. Und weil alles so gemütlich ist, lädt die Stadt mir ihren zahlreichen Parks, weiten Straßen und Cafés zu Spaziergängen ein. Einer davon führte mich durch die Altstadt, wo der französische Einfluss spürbar wird, zum alten Hafen. Der heute eine große Parkanlage ist mit den alten Industriegebäuden noch im Hintergrund.
Einer weiterer führte mich auf den Mont Royal, den ich von unten noch als Hügel bezeichnet hätte. Nach meiner Besteigung bei 34°C im Schatten habe ich den Kanadiern recht gegeben, die den Mont Royal nicht als Hügel sondern als Berg bezeichnen.
Genächtigt habe ich in der großen, schönen Wohnung, in der Natalia, ein Freundin, zur Zeit in einer Wohngemeinschaft lebt. Kurz nach meiner Ankunft gab es ein gemütliches Grillfest, sodass ich das Leben in Montreal gleich hautnah erlebte und einige Kanadier kennen lernen konnte (und Deutsche und Tunesier und Türken und Franzosen und US-Amerikaner).
Außerdem bekam ich in Montreal wieder eine Lektion zum Thema „Die Macht der Medien“. Während man in Südamerika und in den USA immer davon hörte, dass es in Montreal aktuell regelmäßig zu „Krawallen von Studenten“ kommt, „weil die Studiengebühren erhöht wurden“, lernte ich vor Ort, dass das die Wirklichkeit in den Medien erheblich verzerrt wurde. Die Proteste richten sich gegen einige neue Gesetze, die die Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie Meinungsäußerung gefährden sollen. Wie die Einheimischen mir berichteten, kam es nahezu täglich zu Demonstrationen, an denen teilweise mehrere hunderttausende Menschen, aller Altersklassen und Berufsfelder teilnahmen (einmal Wissenschaftler und einmal Juristen). Als Zeichen der Solidarität tragen die Kanadier übrigens ein rotes Stoffquadrat, dass mit einer Sicherheitsnadel an der Kleidung befestigt wird.
Während ich dort war bezeichnete die UN die neuen Gesetze Kanadas als „alarmierend“ und setzte das Land auf seine Human Rights Watch List, eine Liste zur Überwachung von Menschenrechten in gefährdeten Staaten. Am nächsten Tag verlor die größte kanadischen Medienanstalt CBC übrigens kein Wort darüber. Die Schlagzeile des Tages war die aktuelle Hitzewelle.
Aber genug von Politik.
Mit dem Überlandbus ging es weiter für einen kurzen Stopp in Toronto.
Titelbild von Sarah Kunkel
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