Abenteuerurlaub in Baños – Teil 2

In Baños gibt es viel zu tun: Für den nötigen Adrenalin-Kick vor dem Frühstück springt man von einer hundert Meter hohen Brücke, danach stürzt man sich mit einem Gummiboot in wilde Gewässer. Mittags klettert man hinter einen Wasserfall, besteigt einen Berg oder sogar einen aktiven Vulkan. Abends vergnügt man sich in einer Karaokebar oder geht Salsa tanzen. Und wenn man sich von dem ganzen Trubel erholen möchte, besucht man eines der fünf verflucht heißen Thermalbäder im Ort. Eigentlich sollte es einem in Baños nie langweilig werden. Falls einen der Regen doch mal zu einer Pause zwingt, lehnt man sich einfach zurück und kaut Zuckerrohr.

Badewasser

Am Morgen nach meiner nassen Wanderung lernte ich beim Frühstück die restlichen Bewohner des Hostels kennen. Auf Anhieb verstanden sich alle ausgezeichnet und so zogen wir gemeinsam los in eines von fünf Thermalbädern eine Straße weiter (Abkühlung findet man übrigens unter einem fünfzig Meter hohen natürlichen Wasserfall).

Die Gruppe bestand aus einer Niederländerin, einer argentinischen Umweltaktivistin, einem kanadischen Frührentner und einem Student der sich situationsabhängig US-Amerikaner oder Mexikaner war – je nach Gesprächsthema.

Der Wasserfall an den Thermen und der Wegweiser zum Hostel

Regenwasser

Nach dem gemütlichen Bad am Morgen machten wir uns auf den Wasserfall Pailón del Diablo zu besichtigen. „Verlasse Baños nicht ohne dort gewesen zu sein!“, hatte mir ein Einheimischer gesagt.

Der US-Mexikaner entschied sich dafür die 20 km lange Strecke bergauf in den Regenwald mit dem Fahrrad zurückzulegen, während der Rest lieber den Bus genommen hat. Eine gute Wahl. Denn als wir am Ziel ankamen setzten wieder sintflutartige Regenfälle ein. Wir verbrachten den Mittag also zu viert im kleinen Straßen-Restaurant, deren freundliche Besitzerin wir im Bus kennengelernt hatten, bei diversen frischen Empanadas, Cocktails und Unmengen Popcorn. Irgendwann trudelte auch der triefend nasse Radler ein und gesellte sich zu uns.

Fröhliche Runde (man beachte den Regen im Hintergrund)

 

Es gibt frische Empanadas!

Fallendes Wasser

Nachdem der Regen vorüber war starteten wir den Fußmarsch zum Wasserfall. Wir waren die einzigen Touristen in der Gegend und konnten das Naturschauspiel in Ruhe genießen. Um hinter den Wasserfall zu gelangen muss man mehrere Meter durch die Grieta al Cielo [dt. Spalt zum Himmel] einen schmalen Spalt im steilen Fels kriechen während die Wassermassen an einem vorbei stürzen und beim Aufprall so laut dröhnen, dass man sein eigenes Wort nicht mehr versteht und das Gefühl hat, die Erde bebe. Und während ich so durch den Einschnitt robbte, musste ich noch kurz an die zwei Meter lange Würgeschlange denken, die man am Morgen auf dem kleinen Pfad am Wasserfall gefunden (und vorsichtshalber getötet) hatte.

Der Wasserfall von weitem

 

Kurz vor dem Dahinter-sein.

 

Der Felsspalt durch den man kriechen muss. Und die einzige Stelle wo es genug Platz gab ein Foto zu machen.

 

Die Brücke ins nirgendwo

Nach dem gemeinsamen Abendessen ging es dann weiter zum Karaoke – dem Lieblingszeitvertreib der Ecuadorianer. Es gibt kaum eine Bar in Ecuador ohne Karaokemaschine und ein paar grässlichen plärrenden Ecuadorianern.

Nachdem die Stimmung mithilfe von Klassikern der Rockgeschichte und dank gekonnter Dissonanz aufgeheizt war, wurde die – vor unserer Ankunft komplett leere – Diskothek gegenüber gestürmt. Wir überredeten den DJ ein wenig Salsa-Musik aufzulegen, was dann den Laden auch nach und nach füllte. Der Besitzer sollte uns eigentlich ewig dankbar sein.

Wildwasser

Tags darauf gab es ausnahmsweise mal ein paar Stunden Sonnenschein. Nach über zwei Tagen Dauernässe konnte ich das nicht hinnehmen und probierte mich im beim Wildwasser-Rafting im eiskalten Fluss. Ein Video sagt mehr als tausend Worte, deshalb klickst du hier und dann auf Play (ich bin der vorne links).

Rafting auf dem Fluss Patate

Todeswasser

Jeden Tag verbrachte ich mindestens ein paar Minuten an der großen Brücke über die Schlucht am Ortsrand um den Verrückten zuzuschauen, die sich mit Klettergurt und einem Seil von in die hundert Meter tiefe Schlucht stürzten.

Kurz vor meiner Abfahrt, wurde mir klar, dass ich es für immer bereuen würde, wenn ich mich das nicht auch tue deshalb wollte ich noch vor dem Frühstück von der Brücke springen. Die größte Überwindung dabei ist nicht einmal der Sprung selbst, sondern über das Brückengeländer zu klettern und sich, ohne eine Möglichkeit sich festzuhalten, auf dem etwa 30 x 50 cm großen Holzbrett aufzurichten, das da halt irgendwie außen dran geschraubt war. Und als meine Fußspitzen schon über das Brett hinaus standen höre ich von hinten die Befehle „Geh‘ weiter vor! Weiter! Und schau nicht nach unten!“ Was mich spontan veranlasste genau dies zu tun. Der tosende Fluss 100 Meter unter meinen Füßen sah erschreckend klein und zornig aus. Schnell blickte ich wieder nach vorne. Vor mir das Panorama von Baños aus dessen Ortsrand einige Wasserfälle sprudeln. Ein ordentlicher Stoß Dopamin schoss durch meine Adern – wenn ich nun also sterben muss, dann wenigstens mit dieser atemberaubenden Aussicht. „Atemberaubend“ war hier eher metaphorisch gemeint. Beim Sprung, der kurz darauf folgte blieb mir allerdings wirklich die Luft weg. Ich glaube mein Herz blieb auch für einen Moment stehen, nahm aber wohl nur Anlauf für das Rasen, das danach folgte, während ich unter der Brücke hin- und her schaukelte und hoffte nicht gegen einen Felsen zu knallen. Denn bis zum tiefsten Punkt der Schlucht waren es immer noch gut dreißig Meter.

DIE Brücke…

 

Da lacht er (noch).

 

„Weiter vor!“

 

Ortsrand Baños (auch bekannt als „die Aussicht vor dem Sprung“)

 

Da springt er.

Da baumelt er.

Vollgepumpt mit Adrenalin und einem breiten Dauergrinsen im Gesicht setzte ich mich dann anderthalb Stunden später in den Bus um endlich in den tiefen Dschungel zu fahren. In Baños hätte ich es allerdings noch gut ein paar Tage aushalten können. Vielleicht wäre es mir dann aber auch so gegangen, wie dem rumänischen Fotograf vom Rafting, der vor zwei Jahren durch Südamerika reisen wollte, in Quito landete, sich ein Motorrad kaufte, losfuhr, nach drei Stunden seinen ersten Stopp in Baños einlegte und nie wieder fortkam.

Eines der vielen Bilder mit einem ecuadorianischen Mülleimer