Zwei Jahre unterwegs. Ein Rückblick.

Genau heute vor zwei Jahren habe ich meine Abschlussarbeit für das Studium abgegeben. Am Tag darauf saß ich im Flieger nach Rio de Janeiro – ohne Rückflugticket. Weg vom Unistress, weg vom Alltag im Büro, weg von den -15 Grad des mitteleuropäischen Winters. Ab nach Terra Incognita, hinein ins Abenteuer, hin zu Stränden und den (zumindest in der Theorie) endlosen Sommer.

Seit 730 Tage und Nächte bin ich unterwegs, ich habe 20 Länder auf 4 Kontinenten besucht und war dreimal wieder in Deutschland. In meinem Reisepass befinden sich mittlerweile 33 Stempel.

Ausblick von Solscape in Raglan, Neuseeland, wo ich seit zwei Monaten lebe.

Ausblick von Solscape in Raglan, Neuseeland, wo ich seit zwei Monaten lebe.

Fortbewegung

Auf den großen Strecken habe ich insgesamt 111.800 km zurückgelegt. Das wäre fast dreimal um die Erde. 90.000 km davon auf den 35 Flügen. Die restlichen mit Überland- und Linienbussen, PKWs, Booten, Fähren, auf Flößen, der Ladefläche von Pickup-Trucks und LKWs, in Tuk-Tuks mit dem Fahrrad, auf einem Quad und mit dem Stocherkahn. Und wie viele Kilometer ich auf einem Surfbrett gepaddelt bin, will ich gar nicht wissen.

Schlafplätze

Die 730 Nächte habe ich in 105 verschiedenen Plätzen geschlafen. Allein in Neuseeland waren es 25 und der Wechsel war meist unfreiwillig.

Grob nach Häufigkeit geordnet, habe ich die Nächte in Schlafsälen von Hostels, in Hotelzimmern, bei Freunden und Couchsurfern, auf Sofas und in Zelten (98 Nächte), in Bus- und Flugzeugsitzen, auf Flughäfen, Bahnhöfen und Bushaltestellen, auf Autorücksitzen, kalten Fußböden, in gemütlichen Hängematten und auf weniger gemütlichen Parkbänken, einer Fähre, einem Balkon im Strand-Appartement verbracht.

Vielen Dank an alle, die mich aufgenommen und bei sich wohnen lassen haben. Ich stehe tief in eurer Schuld.

Lecker Essen

Ich aß Meerschweinchen in den peruanischen Anden, 3 kg Rindfleisch und Rotwein zum Frühstück in Argentinien, Rinderherzen am Spieß, Marmite (pfui!) und Haifisch in Neuseeland, Pizza in Italien, Schinkenwürfel in einer Waffel und Paella in Barcelona, Stroopwafels in Holland, schwedische Köttbullar mit Vodka, Krokodil in pikanter Soße, Banana Pancakes zum Frühstück und viel Erdnussbutter. Ich habe unter dem Eiffelturm gepicknickt, einen Hot-Dog am Times Square bestellt und sämtliche ungesunde Fastfood-Optionen, die die USA zu bieten haben, probiert – aber auch mindestens 246 Früchte, von denen ich mir nicht mal vorstellen konnte, dass sie existieren (hauptsächlich in Peru und Hawaii).

Auf Maui gab es geröstete Kakaobohnen, kiloweise selbstgemachte Guacamole, frische Kaffeekirschen, Ulu, Lilikoi, Sweetsop, Durian, eine Frucht, die nach Erdnussbutter schmeckt, unglaubliches Thai-Essen und – entgegen der Behauptung eines altbekannten deutschen Volksliedes – gutes Bier.

Dazu habe ich Coca-Tee und Mate, den besten Kaffee, den man sich vorstellen kann, Bier auf dem Oktoberfest und mit Kürbis- und Schokoladen-Geschmack getrunken. Manchmal gab es Kokosnusswasser und Spirolina, Rot- und Weißwein, Caipirinha an der Copacabana, Inka Cola und L&P.

Das auf und ab des Erlebten

Ich habe Raubüberfalle beobachtet und Knochen brechen sehen, Gangster mit gezückte Pistolen, Polizisten und Soldaten mit Maschinengewehren im Anschlag, Unfälle von Autos, Bussen und LKWs gesehen, starke Erdbeben, eine Sturzflut und einen Tornado erfahren.

Ich wurde fast von einem Panzer überrollt und mehrfach schier von Autos angefahren (verdammter Linksverkehr), bin nahezu an einer Tablette erstickt und wurde von Parasiten aufgefressen. Musste auf drei Kontinenten (jedoch noch nie in Europa) ins Krankenhaus eingeliefert werden und habe dabei immer die besten Menschen um mich gehabt, die ich mir hätte vorstellen können (wer wollte nicht schon immer mal mit blutverschmiertem Gesicht im Krankenbett liegen, während einem eine schöne Schwedin die Hand hält und einen bemitleidet).

Ich habe die besten Sonnenuntergänge über Afrika, in Uruguay und Peru, in Kalifornien und Hawaii, den verschiedenen Metropolen der Welt und auf der Forche in Weissach genossen. In Chicago habe ich denselben Sonnenuntergang sogar zweimal gesehen.

Ich habe das Kreuz des Südens und den liegenden Vollmond gesehen und in einer Nacht 36 Sternschnuppen gezählt.

Ich habe den Äquator und die Datumsgrenze überschritten (der 17. November 2013 hat für mich nie existiert).

Ich habe meinen Geburtstag in Barcelona, Weihnachten und Silvester am Strand in Neuseeland und Ostern in Südamerika gefeiert.

Ich habe Kaffeebohnen, Bananen, Papaya und Avocados und Früchte geerntet, von denen ich nicht wusste, dass sie existieren. In diesem Blog habe ich 57.059 Wörter veröffentlicht. Das ist schon fast ein Roman.

Obwohl ich immer großzügig aussortiere, habe ich 6.054 Fotos geschossen – oder 21,1 GB. (Die besten Fotos rauszusuchen würde Stunden und Tage dauern, deshalb muss dieser Post ohne auskommen.)

Ich bin von einer Brücke und mehreren Wasserfällen gesprungen, war um Mitternacht bei Vollmond surfen, habe vor dem Lagerfeuer am Strand Gitarre gespielt, war Sandboarden, Salsa und Kriegstänze tanzen, bin unter Wasserfällen, in Flüssen, Seen und Ozeanen geschwommen, habe gesehen, wie der Strand nachts unter meine Schritten wie Glühwürmchen leuchtet (obwohl es mir nie jemand glauben wird).

Ich habe Affen von meinem Rucksack in Gibraltar verscheucht und wurde in Brasilien von einem angeschissen. Ich habe Seekühe und Krokodile gefüttert. Ich hatte Begegnungen mit Berglöwen in Kalifornien, Taranteln im Urwald, bunten Fischen und Delfinen in der Karibik, Riesenschildkröten und Geckos in Hawaii, Possums in Neuseeland und in Argentinien mit bis heute unidentifizierten Insekten, die wird „Buähs“ getauft haben.

Ich war in New York, Paris, London, Zürich, München und Rio, in Lima, Amsterdam, San Francisco, Honolulu und hätte mir gewünscht, dass auch Neuseeland eine gescheite Stadt hätte, in der man Samstagmittags um fünf noch Kaffee findet.

Ich war auf dem Empire State Building und habe Golden Gate Bridge, die Brooklyn und die Tower Bridge überquert, ich habe Berge in der Schweiz, den Anden und Vulkane bestiegen und war in der Karibik tauchen. Ich bin durch Wüsten und Wälder aus Bambus, Farn und tropischen Pflanzen gewandert.

Ich habe manchmal zu viel getrunken und bin wann anders dehydriert. Ich habe gefroren und geschwitzt. Habe geliebt und ignoriert, aber eigentlich nie gehasst. Wurde enttäuscht und überrascht. Habe gewartet und verpasst. Habe viel gelacht und manchmal auch geweint.

Ich hatte Unterhaltungen mit einem brasilianischen Millionären, einem ecuadorianischen Eselzüchter, einem Naturheiler im Dschungel des Amazonas, einem Abkömmlingen von Stammeskönigen, israelischen Soldaten, einer Lehrerin aus der Arktis, einem Hollywood-Star, Ärzten, Pro-Surfern, vielen Obdachlosen und viel zu vielen Abiturienten. Ein neuseeländischer Pilot nahm mich mit zu seinem Bruder, einem Juwelier, wo ich fast einen 80.000 Dollar teuren Diamanten fallen gelassen hätte. Ups.

Ich habe unzählige interessante Persönlichkeiten getroffen und unzählige Freunde in allen Herren Länder gewonnen. Viel zu oft habe ich dieselben Fragen beantwortet und viel, viel zu oft musste ich mich verabschieden. Manchmal war ich aber auch froh zu gehen.

Was bleibt und wird

Beim Schreiben dieser Zeilen fühle ich mich völlig überwältigt. Ich kann kaum fassen, wie viele Erinnerungen an Menschen, Momente, Gefühlen und Geschichten plötzlich zurückkommen. Und doch wird wohl so viel in Vergessenheit und das Wichtigste zwischen diesen Zeilen verborgen bleiben.

Vielen Dank an alle, die ein Stückchen des Weges mit mir gegangen sind (sei es auch nur in Gedanken oder beim Lesen dieses Blogs), die Zeit, Essen oder ihr Zuhause mit mir geteilt haben, die mich irgendwohin mitgenommen oder hingebracht haben, die mir etwas beigebracht oder mich zum Lachen gebracht haben. Vielen Dank, dass ihr diese zwei Jahre für mich so genial, interessant, lehrreich, lustig und unvergesslich gemacht habt.

Zwei Jahre sind vorbei. Dass ich losgezogen bin, habe ich nie bereut. Vieles hätte ich anders gemacht. Vieles ist besser ausgegangen als erwartet. Vieles lief unerwartet schief und einiges davon hätte man vielleicht vorhersehen können.
Das nächste Jahr steht noch in den Sternen. Vieles werde ich in Zukunft anders machen, denn – frei nach Grönemeyer – geht es mir manchmal auf den Keks, das Leben unterwegs.

Fortsetzung folgt…

…heute in einem Jahr.